von Tim Wiessmer

Immobilienkauf ohne Risiko?

Immobilienkauf ohne Risiko?

So stärkt das neue BGH-Urteil die Position der Käufer:

Inwiefern sind Immobilienverkäufer dazu verpflichtet, über alle relevanten Fakten aufzuklären? Der Bundesgerichtshof hat kürzlich eine Entscheidung in dieser Angelegenheit getroffen.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Immobilienverkäufer verpflichtet sind, potenzielle Käufer über relevante Fakten zu informieren und möglicherweise auf anstehende Sanierungskosten hinzuweisen. Dies gilt auch für den Fall, dass Unterlagen in einem virtuellen Datenraum bereitgestellt werden. Die Karlsruher Richterinnen und Richter haben damit die Aufklärungspflicht der Verkäufer verschärft und die Rechte der Käufer gestärkt. (Az. V ZR 77/22)

"Verkäufer müssen nun bei allen Unternehmenstransaktionen eine sorgfältige Due Diligence durchführen und dabei wesentliche Umstände frühzeitig offenlegen."

Eine richtungsweisende Entscheidung sehen nun Experten

Nach dem Urteil der Karlsruher Richter wird die bislang übliche Praxis von Verkäufern, sich durch eine übermäßige und oft kurzfristige Offenlegung von Unterlagen jeglicher Haftung zu entziehen, unterbunden. Christian Osthus - stellvertretender Bundesgeschäftsführer und Justiziar des IVD - fügte hinzu: "Es reicht nicht aus, dass der Verkäufer alle relevanten Informationen ungefiltert auf den Tisch legt." Vielmehr müsse er speziell darauf hinweisen.

Welche Umstände genau das sind, hängt vom Einzelfall ab; so erklärt es Bettina Brückner – Vorsitzende Richterin des fünften Zivilsenats. In diesem Fall hatte ein Unternehmen mehrere Gewerbeflächen im Ihme-Zentrum Hannover für über 1,5 Millionen Euro gekauft und fühlt sich nun arglistig getäuscht: Sie habe erst spät erfahren müssen, dass hohe Kosten für Instandhaltungen am Gemeinschaftseigentum anfallen könnten.

 

Tipps für die Hausbesichtigung

Neben einer umfangreichen Besichtigung vor Ort und die eingehende Prüfung aller vorliegenden Dokumente gibt es noch einige weitere Aspekte, die bei einem Hauskauf und der damit verbunden Objektbesichtigung unbedingt beachtet werden sollten. Folgend haben wir Ihnen eine Liste erstellt, mit der Sie bei Ihrer nächsten Objektbesichtigung perfekt aufgestellt sind, um das Beste für Sie herauszuholen oder sich vor bösen Überraschungen zu schützen.

 

Die 10 wichtigsten Tipps für Ihre nächste Hausbesichtigung

Der richtige Termin

Es ist ratsam, eine Immobilie während des Tageslichts zu besichtigen. Diese Zeit ermöglicht nicht nur Mängel besser erkennen zu können, sondern auch ein umfassendes Urteil über das Lichtverhältnis abzugeben. Wenn man herausfinden möchte, ob in der Nachbarschaft störender Verkehrslärm oder Gewerbebetrieb herrscht, empfiehlt es sich an einem Werktag vor oder nach dem Mittagstermin einen Besichtigungstermin wahrzunehmen.

Vor Ort Zeit lassen

Eine sorgfältige Besichtigung von Immobilien erfordert Zeit - und diese sollten sowohl Verkäufer als auch potenzielle Käufer sich nehmen. Nehmen Sie sich Zeit, um jeden Raum in Ruhe zu betrachten und achten Sie auf Details wie Heizkörper, Fenster, Türen und Beschläge. Lassen Sie den Makler oder Eigentümer Ihnen alles zeigen und machen Sie am Ende einen zweiten Rundgang durch das Objekt. Auf diese Weise werden offene Fragen beantwortet und ein nachhaltiger Eindruck hinterlassen.

Vier Augen Prinzip

Es ist ratsam, bei der Besichtigung eines Objekts auch beim ersten Termin einen Begleiter dabei zu haben. Durch das Vier-Augen-Prinzip wird jeder Rundgang doppelt so effektiv, da unterschiedliche Personen auf verschiedene Details achten können. Das Risiko wichtige Aspekte zu übersehen verringert sich dadurch erheblich.

Fotos machen

Es empfiehlt sich, bei einer gemeinsamen Immobilienbesichtigung mit einem Begleiter oder Partner Fotos von allen Räumlichkeiten sowie der Außenansicht zu machen. Diese können später als Gedächtnisstütze dienen und helfen dabei, Details nochmals in Erinnerung zu rufen oder Unklarheiten aufzuklären. Ein kurzer Videorundgang via Smartphone kann ebenfalls sinnvoll sein – insbesondere wenn, mehrere Objekte besichtigt werden müssen. So bleibt das Gesehene präsent und die Entscheidungsfindung wird erleichtert.

Frageliste oder Kriterien

Es ist ratsam, bei der Besichtigung eines Objekts darauf zu achten, dass es den eigenen Vorstellungen und Wünschen entspricht. Eine nützliche Unterstützung hierbei kann eine Liste mit den wichtigsten Kriterien sein, die das Haus erfüllen soll sowie eine weitere Liste mit Fragen an den Verkäufer. Mit solch einer Vorbereitung wird der Termin zur Besichtigung deutlich erleichtert und Stress vermieden.

Grundriss mitnehmen

Nach der Besichtigung empfehlen wir Ihnen, einen Bauplan oder eine Grundrisszeichnung inklusive Wohnflächenberechnung in Empfang zu nehmen. Alternativ können Sie auch ein digitales Foto machen. Auf diese Weise haben Sie die Möglichkeit, in aller Ruhe zu prüfen, ob die Raumaufteilung Ihren Wünschen entspricht und genug Platz für Ihre Möbel vorhanden ist.

Bausubstanz und Anlagentechnik begutachten

Insbesondere bei bereits genutzten Immobilien ist es ratsam, die Wände, Fenster, Türen sowie den Dachstuhl und Keller eingehend zu begutachten. Denn sollten sich Feuchtigkeit oder Fäulnis in diesen Bereichen eingenistet haben, können Sanierungskosten schnell explodieren. Es empfiehlt sich daher auch auf Schimmelbefall in Zimmerecken oder hinter Möbeln Ausschau zu halten und Fenster sowie Rollläden auszuprobieren. Ebenso sollte man einen Blick auf die Haustechnik werfen: Wie alt ist der Heizkessel? In welchem Zustand befinden sich Strom- und Wasserleitungen?

Energieausweis

Wenn du eine Immobilie verkaufst, solltest du unbedingt einen Energieausweis vorlegen können. Als Käufer ist es wichtig darauf zu achten, denn nur so erhält man Vergleichswerte für den Energieverbrauch der Immobilie – insbesondere bezüglich des kostspieligen Heizbedarfs. Allerdings gibt es zwei Arten von Ausweisen: Den Bedarfs- und den Verbrauchsausweis. Der Verbrauchsausweis informiert lediglich darüber, wie viel Energie die Bewohner in den letzten drei Jahren im Durchschnitt verbraucht haben - abhängig vom individuellen Heizverhalten. Dieser Wert kann also stark variieren und gilt als weniger objektiv. Der Bedarfsausweis hingegen berücksichtigt ausschließlich Gebäudesubstanz und durchschnittliche Witterungsbedingungen und liefert somit ein objektiveres Ergebnis beim Vergleich verschiedener Immobilien in Bezug auf ihren energetischen Zustand.

Sachverständigen hinzuziehen

Sollte die Immobilie nach dem ersten Besichtigungstermin in Betracht gezogen werden, empfiehlt es sich einen weiteren Termin mit einem Bausachverständigen zu vereinbaren. Ein erfahrener Baugutachter kann wesentliche Mängel aufdecken, welche für Laien oft nicht erkennbar sind und abschätzen, wie hoch notwendige Sanierungskosten oder Kosten zur Behebung der Mängel ausfallen könnten. Passende Architekten oder Bauingenieure lassen sich beispielsweise bei Organisationen wie Dekra (dekra.de), Verband privater Bauherren (vpb.de) oder Bundesverband freier Sachverständiger (bvfs.de) finden.

Nachbarschaft besichtigen

Ein wichtiger Bestandteil einer Immobilienbesichtigung ist ein Spaziergang durch die Nachbarschaft. Dadurch können Sie sich einen klaren Überblick über die Infrastruktur in der unmittelbaren Umgebung verschaffen, mögliche Lärmquellen ausfindig machen und abschätzen, wie weit entfernt Einkaufsmöglichkeiten, Schulen oder öffentliche Verkehrsmittel sind. Nicht zu vergessen ist auch das Wohnviertel selbst - hier spielt eine angenehme Atmosphäre eine bedeutende Rolle bei der Entscheidungsfindung für den Kauf oder Mietvertrag.

 

Was liegt vor?

Es geht hierbei um die rechtliche Verantwortlichkeit der Verkäuferin aufgrund von Fahrlässigkeit bei Abschluss des Kaufvertrags durch unterlassene Information. Die Klage ergab sich daraus, dass die Verkäuferin das Protokoll einer wichtigen Eigentümerversammlung erst drei Tage vor dem Unterzeichnen in einem digitalen Datenraum zugänglich machte und dies aus Sicht der Klägerin heimtückisch geschah. Der Freitag als letzter Arbeitstag erhöhte zudem den Druck.

Für die Renovierung der Gewerbeeinheiten waren ursprünglich bis zu 50 Millionen Euro veranschlagt. Als sich jedoch die Mehrheitseignerin weigerte, ihren Anteil zu bezahlen, wurde der Fall vor Gericht gebracht. Nach einem Vergleich wurden die Eigentümer schließlich dazu aufgefordert, eine Sonderumlage für den Umbau ihrer Einheiten zu zahlen. Die Klägerin focht daraufhin den Kaufvertrag an und das Oberlandesgericht Celle sprach ihr in erster Instanz Recht zu.

Die höchsten Richterinnen und Richter im zivilrechtlichen Bereich Deutschlands haben nun zugunsten der Klägerin entschieden, indem sie das vorherige Urteil größtenteils aufgehoben und für eine neue Verhandlung zurückverwiesen haben. Es wurde festgestellt, dass die Verkäuferin hätte darauf hinweisen müssen, dass der Kostenaufwand sich auf 50 Millionen Euro belaufen würde - ein Umstand von erheblicher Bedeutung gemäß dem Fachjargon als "offenbarungspflichtig" beschrieben wird.

Käuferhorizont rückt in den Fokus

Brückner erklärte, dass die Pflicht zur Offenlegung entfallen könne, wenn der Käufer bei einer Besichtigung Mängel feststellt oder ein Sachverständigengutachten übergeben wird. Allerdings dürfe der Verkäufer nicht erwarten, dass Finanzierungsunterlagen durchgesehen werden.

Diese Rechtsprechung gelte auch für Datenräume. Der bloße Zugang zu einem solchen Raum bedeute nicht automatisch eine Kenntnisnahme von offenbarungspflichtigen Umständen.

Stattdessen sei es wichtig zu prüfen, wie strukturiert und organisiert der Datenraum ist und welche Vereinbarungen getroffen wurden. Die Entscheidungen müssten auf den Käuferhorizont abgestimmt sein.

Um Schadenersatzansprüche des Käufers zu vermeiden, sollten alle wichtigen Informationen dokumentiert werden und Cut-off-Dates vereinbart werden.

Zurück zur Artikelübersicht
Angebots-Icon

Jetzt Angebot
anfordern!